Inkontinenz - Formen, Behandlung, Alltagstipps
Aktualisiert am 30.03.22
Inkontinenz ist weit verbreitet. Vor allem ältere Menschen und Frauen sind davon betroffen. Je nach Schweregrad der Erkrankung gibt es die unterschiedlichsten Behandlungsmöglichkeiten. Dank moderner Einlagen und kleine Umstellungen im Alltag können Sie trotz Blasenschwäche ein aktives Leben führen.
In diesem Ratgeber erhalten Sie Informationen zu folgenden Themen:
- Was ist Inkontinenz?
- Unterschied Inkontinenz vs. Blasenschwäche
- Inkontinenzformen
- Inkontinenz im Alter
- Inkontinenz behandeln
- Inkontinenz vorbeugen
- Tipps im Alltag
Inkontinenz ist für viele Betroffene nach wie vor ein Tabuthema. Meist wird aus Scham der Gang zum Urologen gescheut oder lange Zeit hinausgezögert. Der unkontrollierbare Harnverlust macht unsicher. Dabei ist Harninkontinenz weit verbreitet. Alleine in Deutschland sind rund 10 Millionen Menschen betroffen. Vor allem ältere Personen und Frauen leiden darunter. Das Leben mit Inkontinenz ist anfänglich eine Herausforderung, die aber mit einer umfassenden medizinischen Behandlung und kleinen Umstellungen im Alltag gut gemeistert werden kann.
Was versteht man unter Inkontinenz?
Unter Inkontinenz bzw. Harninkontinenz versteht man den unfreiwilligen Verlust von Urin. Gründe hierfür können verschiedene Erkrankungen der Harnblase oder deren Verschlussmechanismen sein. Die am häufigsten auftretenden Formen sind dabei die Belastungs- bzw. Stressinkontinenz und die Dranginkontinenz. Durch vielfältige Behandlungsmethoden kann die Erkrankung geheilt oder zumindest gelindert werden.
Gibt es einen Unterschied zwischen Inkontinenz und Blasenschwäche?
Die Begriffe Inkontinenz und Blasenschwäche werden meist synonym verwendet. Es gibt also keinen Unterschied in ihrer Bedeutung. Das Wort Harninkontinenz ist der medizinische Fachbegriff. Die Bezeichnung Blasenschwäche wird eher umgangssprachlich benutzt.
Inkontinenzformen
Im Allgemeinen gibt es fünf verschiedene Formen der Harninkontinenz. Auch Mischformen können auftreten.
Belastungs- oder Stressinkontinenz
Die Belastungsinkontinenz ist mit bis zu 50 Prozent, die am häufigsten vorkommende Form. Bei erhöhtem Druck auf die Harnblase, zum Beispiel durch Husten, kommt es zu Störungen des Harnröhrenverschlusses.
Dabei gibt es drei Schweregrade:
- Grad 1: Harnverlust bei schwerer körperlicher Belastung, wie Hüpfen, Husten, schweres Heben, etc..
- Grad 2: Urinabgang bei leichter körperlicher Belastung, wie Treppensteigen, Aufstehen, Hinsetzen, etc..
- Grad 3: Harnverlust bei Ruhe ohne Belastung, im Sitzen, Stehen und im Liegen.
Ursachen sind zumeist eine schwache Beckenbodenmuskulatur sowie Schädigungen des Bandhalteapparates. Dieser ist für den Verschluss der Harnröhre zuständig. Ausgelöst werden diese durch starke Dehnungen der Beckenbodenmuskulatur während der Schwangerschaft oder Geburt. Zudem können Übergewicht, eine Absenkung innerer Organe, schwere körperliche Arbeit sowie chronische Bronchitis ursächlich sein.
Überlaufinkontinenz
Bei dieser Form ist das gesunde Gleichgewicht zwischen dem Druck in der Blase und dem der Harnröhre gestört. Die Harnblase wird dadurch zu stark gedehnt und "läuft" über. So kann der Urin ungehindert aus der Blase austreten, bis die natürliche Balance wiederhergestellt ist. Die Harnblase entleert sich aber nicht vollständig, es bleibt ein Urinrest (Restharn) zurück. In der Regel sind Nervenschäden schuld an einer Überlaufinkontinenz. Diese können nach ausgedehnten medizinischen Eingriffen im Bereich des Beckens entstehen. Seltene Ursachen sind Blasenentleerungsstörungen oder Abknickungen.
Reflexinkontinenz
Hier haben die Betroffenen keine Kontrolle über den persönlichen Harndrang. Sie können ihre Harnblase nicht willentlich entleeren oder den Urin zurückhalten. Zugrunde liegen Fehlbildungen oder Verletzungen der Nervenbahnen, beispielsweise durch einen offenen Rücken (Spina bifida), Querschnittslähmungen oder nach schweren Bandscheibenvorfällen. Die Folgen sind Fehlsteuerungen zwischen Gehirn und Rückenmark. Diese führen zum Kontrollverlust der Gehirnregionen, die für eine normale Funktion der Harnblase zuständig sind.
Dranginkontinenz oder Reizblase
Häufiger starker Harndrang mit unwillkürlichem Urinverlust sind Symptome der Dranginkontinenz. Dabei zeigen sich zwei unterschiedliche Varianten. Es gibt Personen mit starkem Harndrang und überaktiver Blase, die den Urin zurückhalten können und die Toilette noch rechtzeitig erreichen. Dann sprechen Mediziner eher von einer Reizblase. Bei Personen, die den Urin nicht mehr halten können, wird von Dranginkontinenz gesprochen. Diese Varianten gelten als zweithäufigste Inkontinenzform. Zudem treten Belastungs- und Dranginkontinenz oftmals in Kombination auf.
Die überaktive Blase ist bei jungen Frauen meist Folge von Schwangerschaften und Entbindungen. Im Alter tritt sie bei beiden Geschlechtern vermehrt auf. Auch bestimmte Erkrankungen wie Entzündungen oder Infekte der Harnwege und Blasensteine können ursächlich sein. Neurologische Schädigungen ausgelöst durch Parkinson oder Alzheimer, Hirntumore und Schlaganfälle sind zudem mögliche Ursachen.
Extraurethrale Inkontinenz
Die extraurethrale Inkontinenz bezeichnet den Urinabgang durch andere Körperöffnungen, wie die Scheide oder den After. Angeborene oder erworbene Fehlbildungen sind mögliche Auslöser. Auch sogenannte Fisteln tragen dazu bei. Sie entstehen nach Infektionen oder Operationen, bei denen die Harnblase unbemerkt verletzt wurde.
Inkontinenz im Alter
Harninkontinenz tritt im Alter verstärkt auf. Schätzungen gehen davon aus, dass 80 % der Bewohner von Seniorenheimen davon betroffen sind. Die Wahrscheinlichkeit, an Inkontinenz zu erkranken, steigt laut Statistiken ab dem 50. Lebensjahr drastisch an. Ursachen können altersbedingte Veränderungen der Struktur der Blasenmuskulatur oder des unteren Harntraktes, Schwäche des Blasenschließmuskels, Abnutzungserscheinungen der Blase, neurologische Störungen und Nebenwirkungen von Medikamenten sein. Die am häufigsten auftretende Form, ist dabei die Belastungsinkontinenz, welche dann oft in Kombination mit der Dranginkontinenz auftritt.
Inkontinenz behandeln
Je nach Schweregrad und Form der Erkrankung gibt es verschiedene Behandlungsansätze. Wichtig ist als Erstes eine gesicherte Diagnose. Diese kann nur von einem Urologen gestellt werden. Dieser wird die Harnwege mit dem Ultraschallgerät untersuchen. Bei Frauen wird zusätzlich die Scheide, bei Männern die Prostata begutachtet. Auch eine Blasenspiegelung und eine Laboruntersuchung des Urins ist sinnvoll. Mit einem Blasenkatheter kann der Blasendruck ermittelt werden. Zudem sollte ein Inkontinenz-Tagebuch von den Betroffenen geführt werden. Darin wird das Trink- und Toilettenverhalten dokumentiert. Anschließend richtet sich die gewählten Therapiemaßnahme am Befund. Medikamentöse Therapieformen, Beckenbodentraining, Gewichtsreduktion sowie Operationen kommen in Betracht.
Lesen Sie in unseren weiteren Ratgebern welche Behandlungsmethoden es speziell für Frauen und Männer gibt.
Inkontinenz vorbeugen
Harninkontinenz kann gezielt vorgebeugt werden. Vor allem ein spezielles Training der Beckenbodenmuskulatur gilt als vielversprechend. Dieses kann zu Hause oder bei einer Physiotherapie durchgeführt werden. Erste Erfolge zeigen sich nach ungefähr vier bis sechs Monaten. Zudem ist eine Gewichtsreduktion sinnvoll. Erhöhtes Körpergewicht hat einen negativen Effekt auf den unwillkürlichen Harnverlust. Auch Veränderungen des individuellen Lebensstils sollten in Betracht gezogen werden. Chronischer Husten muss zwingend behandelt werden, da er die Harninkontinenz verstärkt. Ist er die Folge des Rauchens, sollte dieses eingestellt werden. Auch bestimmte Nahrungsergänzungsmittel mit Kürbiskernen oder Tees können die Blase stärken.
Mehr Tipps zum Vorbeugen der Harninkontinenz finden Sie in unseren Ratgebern speziell für Frauen und Männer.
Tipps im Alltag
Das Leben mit Inkontinenz ist anfänglich eine Umstellung. Mit kleinen Tipps für den Alltag lässt sich die Erkrankung aber gut integrieren.
Inkontinenz-Tagebuch führen
Dieses Tagebuch dient nicht nur der ärztlichen Behandlung. Es schafft auch persönliche Sicherheit. Sie bekommen dadurch ein Gefühl für Ihre Erkrankung. Hier sollten Sie alle Flüssigkeitsmengen mit Uhrzeit eintragen. Zusätzlich sollen alle Aktivitäten und die Toilettenbesuche sowie unwillkürliche Harnabgänge notiert werden. Benutzen Sie Einlagen, werfen Sie diese nicht sofort weg. Sie können diese mit einer Haushaltswaage wiegen und dadurch feststellen, wie viel Harn abgegangen ist. So können Sie einen ersten Zusammenhang zwischen Trinkmengen und individuellem Urinverlust herstellen.
Die Wahl der idealen Einlage
Wichtig für das persönliche Wohlbefinden ist die Wahl der richtigen Einlage. Diese schafft Sicherheit und sorgt für ein sauberes Gefühl. Moderne Einlagen sind besonders diskret und saugstark. Je nach Geschlecht und Form bzw. Schweregrad der Inkontinenz gibt es für jeden passende Modelle.
Inkontinenz-Überzug fürs Bett
Trotz idealer Einlage kann in der Nacht Urin ins Bett gelangen. Spezielle Überzüge schaffen hier Abhilfe. Hochwertige Modelle sind kuschelig und trotzdem 100 % wasserdicht.
Beckenbodentraining
Beckenbodengymnastik ist nicht nur was für Frauen. Gezielte Übungen helfen effektiv bei Inkontinenz. Wer täglich 15 Minuten trainiert und zwischendurch immer mal wieder „anspannt“, unterstützt seine Harnblase.
Trinkgewohnheiten anpassen
Viele Menschen trinken zu wenig. Zu wenig Flüssigkeit im Körper führt aber zu stark konzentriertem Harn. Dieser reizt die Blasenschleimhaut und verstärkt den Harndrang. Trotz Harninkontinenz ist es deshalb überaus wichtig ausreichend zu trinken. Damit sorgen Sie für eine ideale Durchspülung Ihrer Harnblase. Das beugt zudem gefährlichem Erregerwachstum vor. Um sich bei Freizeitaktivitäten sicherer zu fühlen, sollten Sie die erforderlichen Mengen an Flüssigkeit zu Hause konsumieren und nicht unterwegs. Abends sollte grundsätzlich wenig getrunken werden, um nächtliches Wasserlassen zu reduzieren. Harntreibende Getränke wie Alkohol, diverse Fruchtsäfte, Schwarztee oder Kaffee sollten gemieden werden. Empfehlenswert sind spezielle Blasentees und Mineralwasser ohne Kohlensäure.
Verstopfungen vermeiden
Chronische Verstopfungen können zu Harninkontinenz führen. Sie erhöhen den Druck im Bauchraum. Vor allem ältere Menschen leiden an Verstopfungen. Sie entstehen häufig durch eine zu geringe Trinkmenge und Bewegungsmangel. Auch einige Medikamenten können zur Darmträgheit führen. Zudem schwächt starkes Pressen beim Stuhlgang den Beckenboden. Hier helfen, eine ausgewogene, ballaststoffreiche Kost, genügend Flüssigkeit und Bewegung. Darüber hinaus können pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel mit Rizinusöl hilfreich sein.
Übergewicht reduzieren
Übergewicht führt gerade bei Inkontinenz zu einer Verschlimmerung der Krankheit. Der Druck im Bauchraum ist durch die Kilos stark erhöht. Bereits eine kleine Gewichtsreduktion entlastet den Beckenboden enorm. Wer Schwierigkeiten hat, seinen Hunger zu zähmen, könnte spezielle Diätpräparate ausprobieren oder eine Ernährungsberatung in Anspruch nehmen.
Ausflüge gut planen
Wer Probleme hat, den Urin zu halten, ist besonders auf neuem Terrain unsicher. Deshalb empfiehlt es sich, vor Ausflügen die Umgebung und speziell die Toiletten zu sondieren. Das gibt die nötige Sicherheit und ein gutes Gefühl.
Selbsthilfegruppen
Viele Betroffene leiden unter ihrer Erkrankung und sind am Anfang sehr unsicher. Tritt die Inkontinenz plötzlich auf, wie beispielsweise nach einer Operation sind viele Patienten erst mal überfordert. Hier können Selbsthilfegruppen helfen. Der Austausch mit anderen Betroffenen macht Mut und bietet eine nützliche Hilfestellung. Adressen finden Sie im Internet oder Sie fragen einfach Ihren Urologen.
Bitte beachten Sie: Die ggf. im Ratgeber aufgeführten Produkte stellen keine Empfehlungen dar. Es handelt sich hierbei lediglich um eine lose Auswahl von Präparaten, die einen bestimmten Wirkstoff enthalten und/oder einer speziellen Produktkategorie zugeordnet werden. Diese werden über unsere Seite direkt eingepflegt und sind keineswegs eine Aufforderung zum Kauf eines bestimmten Produkts.