Bettnässen & Einnässen - Inkontinenz bei Kindern
Aktualisiert am 26.06.24
Inkontinenz bei Kindern ist weit verbreitet und kann Eltern stark beunruhigen. Dennoch gibt es in den meisten Fällen keinen Anlass zur großen Sorge. Harninkontinenz bei Kindern lässt sich gut in den Griff bekommen. Mit praktischen Ratschlägen für den Alltag und modernen Therapiemöglichkeiten können Sie Ihrem Kind helfen und das Einnässen erfolgreich zu überwinden.
In diesem Ratgeber erhalten Sie Informationen zu folgenden Themen:
Wenn Kinder im Alter von fünf Jahren nachts noch nicht trocken sind, führt das oft zu Besorgnis bei den Eltern. Doch nächtliches Einnässen (Enuresis) und auch tagsüber auftretende Inkontinenz sind selbst bei älteren Kindern keine Seltenheit. Laut Medizinern nässen etwa 10 Prozent aller Kinder (wobei Jungen doppelt so häufig betroffen sind wie Mädchen) selbst im Alter von sieben Jahren noch nachts ein.1
Von Harninkontinenz bei Kindern ist die Rede, wenn nach dem 5. Geburtstag, immer wieder unkontrollierte Urinabgänge stattfinden. Das kann sowohl nachts als auch tagsüber passieren, weshalb in zwei Formen unterschieden wird.
Inkontinenz tagsüber – Einnässen (Enuresis diurna)
Ungewolltes Einnässen während des Tages bezeichnen Mediziner als Harninkontinenz. Dabei wird zwischen Dranginkontinenz, Inkontinenz mit Miktionsaufschub und Blasenentleerungsstörungen unterschieden.
Dranginkontinenz
Kinder mit Dranginkontinenz müssen wesentlich häufiger zur Toilette als ihre Altersgenossen. Schon bei kleinen Mengen von Urin in der Blase zieht sich diese zusammen und verursacht einen plötzlichen, starken Harndrang. Schaffen es die betroffenen Kinder nicht rechtzeitig auf die Toilette oder sind müde, kommt es zum Einnässen. Um den unwillkürlichen Urinverlust zu verhindern, entwickeln die Kinder häufig Haltemanöver wie das Aneinanderpressen der Beine oder das starke Anspannen der Beckenbodenmuskulatur.
Inkontinenz mit Miktionsaufschub
Kinder mit Inkontinenz aufgrund von Miktionsaufschub neigen dazu, trotz Harndrang den Gang zur Toilette hinauszuzögern. Oft vermeiden sie den Toilettengang in bestimmten Situationen, wie in ungewohnter Umgebung oder während des Spielens. Wird dann der Druck in der Blase zu groß, kommt es zu ungewolltem Einnässen.
Blasenentleerungsstörungen
Bei einer Blasenentleerungsstörung müssen Kinder beim Toilettengang gegen den Widerstand des Blasenschließmuskels ankämpfen und den Urin herauspressen. Dieses Krankheitsbild wird als Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination bezeichnet. Dabei ist der Harnfluss manchmal unterbrochen, da sich der Blasenschließmuskel beim Wasserlassen zusammenzieht, anstatt sich zu entspannen. Dadurch kann die Blase nicht vollständig entleert werden, was das Risiko für Harnwegsinfektionen erhöht. Häufig tritt auch Verstopfung auf.
Seltene Formen
Zu den seltenen Formen der Inkontinenz bei Kindern gehören die Stressinkontinenz, Lachinkontinenz und die unteraktive Blase. Bei der Stressinkontinenz führen starkes Husten oder Niesen zu ungewolltem Urinverlust. Die Lachinkontinenz bewirkt, dass Lachen zu einer vollständigen Blasenentleerung führt. Kinder mit einer unteraktiven Blase verspüren nur selten Harndrang, weshalb ihre Blase stark gedehnt ist. Auf der Toilette entleeren sie ihre Blase oft nicht vollständig, was zu erheblichem Restharn führt.
Ursachen der Inkontinenz am Tag
Inkontinenz am Tag kann verschiedene Ursachen haben, wie
- genetische Faktoren
- Fehlbildungen
- Entwicklungsverzögerungen
Dranginkontinenz bei Kindern ist oft genetisch bedingt, wobei Mädchen häufiger betroffen sind als Jungen.
Bei Inkontinenz mit Miktionsaufschub spielen oft das Wesen und das Alter der Kinder eine entscheidende Rolle. Einige Kinder sind sehr verträumt und wollen ihre Aktivitäten nicht unterbrechen, während andere schüchtern sind und sich nicht trauen zu fragen, wo die Toilette ist. Dadurch wird der Toilettengang hinausgezögert, bis die Blase den Urin nicht mehr halten kann und es zu ungewolltem Urinverlust kommt. Manchmal fehlt es auch entwicklungsbedingt an der richtigen Einschätzung der Dringlichkeit des Harndrangs.
Blasenentleerungsstörungen haben oft Fehlbildungen als Ursache, die verhindern, dass sich der Schließmuskel vollständig öffnet und die Blase vollständig entleert wird. Diese Störungen sind in der Regel genetisch bedingt und können manchmal auch psychische Ursachen haben.
Behandlung der Inkontinenz am Tag
Bevor die Inkontinenz des Kindes behandelt werden kann, muss eine gesicherte Diagnose gestellt werden. Bei einer gründlichen körperlichen Untersuchung des Kindes können Fehlbildungen, Erkrankungen oder mögliche Infektion der Harnwege erkannt bzw. ausgeschlossen werden.
Therapiemöglichkeiten
- Regelmäßige Toilettengänge: Ein regelmäßiger Toilettengang hilft dem Kind, seine Blase zu trainieren und eine feste Routine zu etablieren. Dies verhindert, dass sich zu viel Urin ansammelt, der die Blase überlasten könnte.
- Verhaltenstherapie: Bei Dranginkontinenz oder Inkontinenz mit Miktionsaufschub kann eine Verhaltenstherapie sehr effektiv sein. Therapeutische Unterstützung hilft den Kindern, ihre Gewohnheiten zu ändern und ihre Körperwahrnehmung zu verbessern. Sie lernen, rechtzeitig auf die Toilette zu gehen, ohne ihre Beckenbodenmuskulatur anzuspannen. Ein kindgerechter Kalender mit Symbolen für trockene und nasse Tage hilft bei der Erfolgskontrolle. Eine enge Zusammenarbeit mit Erziehern oder Lehrern ist wichtig und kann unterstützend wirken. Über ein Drittel der betroffenen Kinder überwindet so ihre Inkontinenz.
- Beckenbodentraining: Ein spielerisches Training des Beckenbodens kann ebenfalls gegen Inkontinenz helfen. Die Kinder lernen, ihre Beckenbodenmuskulatur zu entspannen und verbessern ihre Körperwahrnehmung.
- Medikamentöse Behandlung: Wenn andere Maßnahmen nicht erfolgreich sind, können auch Medikamente helfen. Häufig verwendete Wirkstoffe wie Oxybutynin entspannen die Blase und reduzieren Urinmenge und Harndrang. Propiverin beruhigt ebenfalls die Blasenmuskulatur. Desmopressin verringert die Harnmenge. Die Dosierung der Medikamente sollte möglichst niedrig sein, da sie viele Nebenwirkungen verursachen können. Medikamente helfen bei etwa 70 Prozent der betroffenen Kinder, trocken zu werden, aber viele von ihnen neigen dazu, nach dem Absetzen erneut einzunässen.
Nächtliches Bettnässen (Enuresis noturna)
Bettnässen bezeichnet den unkontrollierten Urinverlust während des Schlafs und ist bei Kindern bis zu einem bestimmten Alter normal. Denn entwicklungsbedingt lernen Kinder zuerst tagsüber ihre Blase zu kontrollieren, während die nächtliche Kontrolle oft länger dauert. Bis zum fünften Lebensjahr ist also gelegentliches nächtliches Einnässen unbedenklich. Etwa 10 Prozent der Kinder im Alter von sieben Jahren sind davon betroffen - Jungen doppelt so häufig wie Mädchen. Selbst unter den 12 bis 14jährigen sind es noch zwei bis drei Prozent.1
Beim Bettnässen werden zwei Formen unterschieden:
- Primäre Enuresis: Diese Form tritt auf, wenn ein Kind noch nie länger als sechs Monate am Stück nachts trocken war und keine nächtliche Blasenkontrolle entwickelt hat. Etwa 75 Prozent der Fälle von Bettnässen fallen in diese Kategorie.
- Sekundäre Enuresis: Hierbei handelt es sich um Kinder, die nach mindestens sechs Monaten nächtlicher Blasenkontrolle plötzlich wieder einnässen.
Mögliche körperliche Ursachen für Bettnässen
- (noch) nicht ausreichend entwickelte Blase (zu klein, geringe Dehnbarkeit)
- Harnwegsinfektionen
- Verstopfung
- verzögerte hormonelle Entwicklung (geringe Produktion von ADH)
- tiefer Schlaf
- Schlafstörungen
- genetische Faktoren
- Diabetes mellitus
- ADHS
- Anomalien der Harnwege
- Nierenschäden
Mögliche psychische Ursachen für Bettnässen
Wenn dein Kind bereits längere Zeit nachts trocken war und plötzlich wieder einnässt (sekundäre Enuresis), könnten psychische Faktoren eine Rolle spielen.
Extremer Stress, Traumata oder große Veränderungen im Leben können nach einer trockenen Phase das Bettnässen hervorrufen. Sollte dein Kind ein bestimmtes Alter erreicht haben und weiterhin regelmäßig einnässen, ist ein Besuch beim Kinderarzt oder bei der Kinderärztin ratsam. Dort kann dein Kind gründlich auf mögliche körperliche Ursachen untersucht werden.
Behandlung der Inkontinenz in der Nacht
Jedes Kind entwickelt sich individuell, und kein Kind nässt absichtlich ein. Eltern sollten offen mit ihrem Kind über das Thema sprechen, ohne Vorwürfe oder Kritik. Ab einem bestimmten Alter können folgende Hilfsmittel zum Einsatz kommen, die das Kind unterstützen, nachts trocken zu bleiben:
- Klingelhose und -matten: Dieser Weckapparat besteht aus einem Feuchtigkeitssensor und einer Alarmeinheit. Der Sensor wird nachts an der Unterhose des Kindes befestigt und gibt ein Signal ab, sobald ein erstes Anzeichen von Feuchtigkeit festgestellt wird. Dadurch soll das Kind lernen, die körperlichen Signale besser wahrzunehmen. Gleiches Prinzip gilt für sogenannte Klingelmatten.
- Pyjama Pants: Pyjama Pants sind so bequem wie Unterwäsche und bieten auch älteren Kindern einen zuverlässigen Schutz in der Nacht. Die Höschen lassen sich unter dem Schlafanzug tragen und nehmen Flüssigkeit sicher und zuverlässig auf.
- Medikamente: Bei Schulkindern kann auch die Einnahme von Medikamenten erwogen werden. Dies sollte jedoch ärztlich begleitet werden und stellt stets nur eine vorübergehende Lösung dar.
Psychologische Hilfe
Wenn der Verdacht besteht, dass seelische Probleme die Ursache für die Inkontinenz sind, kann psychologische Unterstützung hilfreich sein. Ein Kinder- und Jugendpsychiater oder -therapeut ist der richtige Ansprechpartner in solchen Fällen. Die Mitarbeit der Eltern ist ebenfalls entscheidend, um potenzielle Auslöser und Belastungsfaktoren zu identifizieren. Sie können wichtige Informationen über die bisherige Entwicklung ihres Kindes sowie belastende Ereignisse bereitstellen.
Tipps im Alltag
Wenn keine ernsthafte Erkrankung hinter dem Bettnässen steckt, löst sich das Problem oft von selbst. Geduld und Verständnis für Ihr Kind sind dabei entscheidend. Folgende Alltagstipps können dabei helfen, die Nächte für Ihr Kind angenehmer zu gestalten:
- Trinkverhalten anpassen - Viele Kinder sind nachmittags draußen und spielen. Dabei vergessen sie das Trinken. Abends zuhause angekommen, werden dann riesige Flüssigkeitsmengen konsumiert. Ein solches Trinkverhalten begünstigt Inkontinenz. Wenn Ihr Kind seinen Flüssigkeitsbedarf eher am Abend deckt, versuchen Sie, die Trinkmenge vor dem Schlafengehen zu reduzieren. Motivieren Sie stattdessen Ihr Kind dazu, tagsüber mehr zu trinken.
- Toilettengang vor dem Schlafengehen - Vor dem Schlafengehen empfiehlt es sich, immer noch einmal die Toilette aufzusuchen. Dies sollte zur täglichen Abendroutine gehören.
- Matratzenauflage verwenden - Diese wasserdichten Auflagen verhindern unter dem Bettlaken, dass die Matratze nass wird und jedes Mal gereinigt und getrocknet werden muss.
- Wegbeleuchtung zur Toilette schaffen - Sorgen Sie dafür, dass der Weg zum Badezimmer nachts beleuchtet ist oder dort ein Nachtlicht brennt. So findet Ihr Kind schnell zur Toilette.
Kinder unterstützen und nicht ausschließen
Die tägliche Unterstützung der Eltern ist für Kinder mit Inkontinenz von größter Bedeutung. Dabei sollte das Thema nicht tabuisiert werden, weder vor dem Kind noch vor Lehrern und Erziehern. Kinder sind oft verunsichert und schämen sich, was zusätzlichen Druck und Angst vor peinlichen Situationen erzeugt. Daher ist offene Kommunikation entscheidend, um dem Kind Mut zu machen und Unterstützung zu bieten.
Kinder trotz Inkontinenz in schulische Aktivitäten einbeziehen
Kinder, die unter Inkontinenz leiden, schämen sich oft so sehr, dass sie sich selbst von schulischen Aktivitäten wie Klassenfahrten ausschließen. Dies kann dazu führen, dass sie Außenseiter werden. Eltern sollten daher ihre Kinder ermutigen, an solchen Aktivitäten teilzunehmen, und ihnen bedingungslose Rückendeckung sowie seelische Unterstützung bieten. In Zusammenarbeit mit Lehrern können genügend „Pinkelpausen“ während Ausflügen eingeplant werden, um dem Kind Sicherheit zu geben. Für Übernachtungen bei Schulausflügen kann ein angepasstes Trinkverhalten oder das Tragen von saugfähigen Pyjama Pants hilfreich sein.
Quelle
1 https://www.gesundheitsinformation.de/bettnaessen.html
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