Um die Menschen wirksam gegen Arzneimittelfälschungen zu schützen, sind eine Vielzahl von Maßnahmen und Projekten auf allen Ebenen und länderübergreifend notwendig.
8.1. Länderübergreifende Einsätze
Die WHO hat eine Reihe von Vorschlägen erarbeitet, um gerade auch Ländern ohne gesetzliche Grundlagen oder funktionierende Überwachungsbehörden bei der Bekämpfung von Medikamentenfälschungen zu unterstützen. Darüber hinaus wurde 2006 die International Medical Products Anti-Counterfeiting Taskforce (IMPACT) ins Leben gerufen, ein weltweites Netzwerk aus internationalen Organisationen, Interessenverbänden, Pharmaherstellern sowie Strafverfolgungs- und Zulassungsbehörden, um länderübergreifend Fälschungen zu entdecken und gegen die international operierenden Hintermänner zu ermitteln.
Viagra Prouktionsstätte in Mittleren Osten
Quelle: Arzneimittelfälschungen Counterfeit Drugs, Vortrag von Prof. Dr. Harald G. Schweim 2009
Ein Beispiel für den erfolgreichen Kampf ist die bereits zum fünften Mal stattfindende Operation Pangea, an der 2012 über 100 Länder in Zusammenarbeit mit Interpol, Zollbehörden und Dienstleistern wie Kredit¬kartengesellschaften eine Aktionswoche gegen den illegalen Internethandel mit Arzneimitteln vorgegangen sind. Gefälschte Arzneimittel im Wert von 10,5 Mio. US$ konnten sichergestellt werden und 80 Personen wurden verhaftet. Sichergestellt wurden Krebsmedikamente und Antibiotika, aber auch Tabletten gegen erektile Dysfunktion und Schlankheitsmittel. (20) Ebenfalls sehr erfolgreich sind die länderübergreifenden Operationen Storm in Südostasien, Mamba in Ost-Afrika und die Operation Cobra in west-afrikanischen Ländern.
2007 haben die Zollbehörden der 27 Mitgliedsstaaten der EU mit einer konzentrierten Aktion MEDI-FAKE innerhalb von 2 Monaten 34 Millionen Tabletten sichergestellt, u. a. am Flughafen in Brüssel 1,6 Mio. Schmerztabletten sowie 600.000 Tabletten gegen Malaria. (21)
Bei der Operation Singapore hat 2007 die MHRA (Medicines and Healthcare Products Regulatory Agency) in Großbritannien über mehrere Monate 72.000 gefälschte Packungen (u. a. das Neuroleptikum Zyprexa, den Thrombozyten¬aggregations¬hemmer Plavix und das Krebsmittel Casodex) mit einem Wert von 4,7 Mio. Pfund sichergestellt. Der Weg der Ware konnte nachvollzogen werden: sie wurde von einer in Luxemburg ansässigen Firma in China gekauft, über Hongkong, Singapur und Belgien geliefert und als französische Ware nach England als Parallelimport eingeführt. (22)
Um die internationale Zusammenarbeit weiter zu verbessern, wurde vom Europarat 2011 die Medicrime Konvention ins Leben gerufen, einem internationalen Übereinkommen zum Schutz der Bevölkerung gegen gefälschte Medikamente. Die Konvention verpflichtet die unterzeichnenden Staaten u. a. die Herstellung, das Angebot und den Handel mit gefälschten Heilmitteln zu kriminalisieren. Sie bietet außerdem einen Rahmen für die nationale sowie internationale Zusammenarbeit unter den betroffenen Behörden. Derzeit haben 21 Staaten die Konvention unterschrieben, allerdings wurde sie noch nicht ratifiziert. (23)
8.2. Maßnahmen der Hersteller
Gerade auch die weltweit operierenden Pharma-Hersteller haben eine Vielzahl, teils offene (z. B. Hologramme), teils verdeckte Merkmale (z. B. spezielle Lackaussparungen oder Mikroschrift) auf ihren Packungen, die das Fälschen erschweren und das Entdecken einer Fälschung vereinfachen sollen. Vereinzelt wurden auch Produkte mit RFID-Etiketten versehen (Viagra in den USA). Mit diesen verdeckten Merkmalen sind allerdings nur einige Mitarbeiter des jeweiligen Herstellers vertraut, sie sind daher für den Schutz der Verbraucher nicht geeignet. Auch wurden bereits gefälschte Packungen mit ebenfalls gefälschten Hologrammen sichergestellt.
Darüber hinaus ist es für Hersteller auch wichtig, Maßnahmen dahingehend zu ergreifen, dass Verpackungs- und Arzneimittelabfall sowie Proben- und Testmaterial eindeutig gekennzeichnet und vernichtet werden. Dabei sollten auch die Auftragshersteller überwacht werden. Nicht mehr verwendbare Fertigarzneimittel, Retouren, verfallene Chargen, Rückstell- oder Stabilitätsmuster sind ebenfalls eindeutig zu kennzeichnen. Auch auf die sichere Entsorgung von Material aus Testläufen (auch bei Maschinenherstellern) und Placebos sollte geachtet werden.
8.3. Herstellerunabhängige Maßnahmen zur Arzneimittelsicherheit
mPedigree
Das mPedigree System ist in den west-afrikanischen Ländern Ghana und Kenia im Einsatz. Ein packungsspezifischer Rubbelcode wird vom Patienten per SMS an mPedigree geschickt und in wenigen Sekunden kommt die Antwort, ob die Packung echt ist. Die Kosten der SMS tragen afrikanische Hersteller bzw. ihre internationalen Mutterkonzerne. In Nigeria ist das mPedigree-Verfahren für Malaria-Medikamente inzwischen Pflicht. (24)
Minilabors
Der GPHF (Global Pharma Health Fund) entwickelte Kofferlabore zur Schnelltestung von Arzneimitteln. Mit diesen Minilaboren können über 50 Wirkstoffe getestet werden, z. B. Malariamittel, Antibiotika und Aidsmittel aber auch Hustensaft. Die Kofferlabore sind in über 80 Ländern auf allen Kontinenten im Einsatz. (25)
8.4. Information der Verbraucher
Die Fachleute sind sich einig, dass auch jeder einzelne Verbraucher bzw. Konsument eines Arzneimittels über die Risiken von Arzneimittelfälschungen und die Möglichkeit des Erkennens informiert sein sollte. Da die Gefahr in den einzelnen Ländern höchst unterschiedlich hoch ist, sind die einzelnen Länder in Zusammenarbeit mit den Herstellern aber auch den zugelassenen Apotheken gefordert, jeweils passende Aktionen durchzuführen.
Fazit
Exorbitante Gewinnspannen animieren Fälscher auch in Zukunft, die Gesundheit und das Leben von Menschen zu riskieren. Neben der Überwachung der legalen Handelsstufen sind EU-weite, konzertierte Aktionen notwendig, um gefälschte Arzneimittel erst gar nicht ins Land zu lassen und Verstöße zu ahnden. Hier sind Zoll und Strafverfolgungsbehörden gefordert. Bisher geht in Europa das größte Risiko vom Versandhandel und den in einigen Ländern staatlich geförderten Reimporten aus. Vor allem was den Versandhandel betrifft, kann eine konsequente Information der Verbraucher über legale Versandapotheken ein wichtiger Schritt zum Schutz vor Fälschungen sein.
Stand: 6. März 2013